Interview mit Edwin Schmidheiny von Accent und Ajinkya Jayant Kawale von Business Standard, India
Welche Bedeutung hat es aus gestalterischer Sicht, wenn eine Fluggesellschaft ihre eigene Schrift registriert und in ihr Logo aufnimmt?
Das Erstellen einer benutzerdefinierten, eigenständingen Schriftart ist sehr oft Teil eines Redesign-Programms, doch dies ist nur eines von vielen Designelementen. Über das Logo-Design hinaus, das oft auf einer einzigartigen Buchstabenform basiert, kann eine proprietäre Schriftart dazu beitragen, einen spezifischen Charakter in der gesamten schriftlichen Kommunikation zu vermitteln. Wird die Schrift auch für die tägliche Kommunikation auf allen Firmenarbeitsplätzen installiert, wertet sie dadurch intern den Charakter der Marke auf. Und da die Schriftdem Unternehmen gehört, fallen keine zusätzlichen Lizenzgebühren an.
Eine solche Schrift zu erstellen, die nicht nur einzigartig ist, sondern für alle Anwendungen sowohl im Printbereichals auch im Digitalen, für alle Schriftgrößen mit unterschiedlichen Strichstärken und Schnitten und dabei für eine flexible und ansprechende typografische Gestaltung sorgt aber trotzdem gut lesbar ist, erfordert großes Geschick. Da es heute schon so viele gute Schriftarten im Handel gibt, macht es nur dann Sinn eine eigene Schrift zu entwickeln, wenn die optische Wirkung wirklich einzigartig ist.
Wie sieht der Designprozess aus, wenn Kreativprofis eins völlig neues Markendesign entwickeln?
Der Designprozess folgt in der Regel einem Briefing, in dem die spezifische Aufgabe definiert wird um dieMarkenstrategie und die Positionierung der Marke auszudrücken (Markenplattform). Oft sind bereits mehrere Elemente vorhanden oder sollen beibehalten werden (z.B. ein bestehendes Logo), oder sie sollen modifiziert werden, um den Markenwert zu erhalten, allenfalls werden zusätzliche Elemente entwickelt. Ist alles offen, dann lotet ein Team von Designern zunächst ein breites Spektrum mittels unterschiedlichen Designinspirationen und -richtungen aus, die dann in gemeinsamen Sessions anhand der gesetzten Kriterien bewertet werden. Regelmäßige Überprüfungen und Iterationen schränken den Bereich ein, bis eine oder zwei Richtungen für eine endgültige Entscheidung destilliert sind.
Dazu gehören z.B. das Logo, die Farbpalette, die Typografie, die Bildsprache und der Illustrationsstil sowie die Layoutprinzipien. Daraus resultiert schließlich ein Rahmenkonzept als Grundlage für konkrete Kommunikationsanwendungen.
Die Typografie selbst bezieht sich auf das Layout und die Gestaltung von Schriftzügen, von der Überschrift bis zum Fließtext und Anmerkungen. Sie ist ein Teil des gesamten Designausdrucks und folgt dem allgemeinen Gestaltungskonzept und den festgelegten Prinzipien. Es definiert einen bestimmten Stil, wie Text in einem Layout verwendet wird, um die verbalen Inhalte zu kommunizieren.
Wie überbrückt man die Unterschiede zwischen der Forderung eines Kunden nach der Erschaffung einer neuen Schriftart, deinen eigenen Vorstellungen und den Erwartungen der Öffentlichkeit? Außerdem, können Sie erklären, wie Iterationen im Design funktionieren?
Markendesign-Lösungen sind nicht so sehr das, was ein Kunde «will» oder der Designer «mag», sondern was der richtige oder beste Ausdruck ist, um eine bestimmte Wahrnehmung zu erreichen. Dies muss mit der Markenstrategie übereinstimmen, bevor mit dem Design begonnen wird, damit alle das gleiche Ziel haben: eine Marke zu schaffen, welche die gesetzten Kriterien erfüllt, die gewünschte Wahrnehmung projiziert und die Zielkunden und hoffentlich auch die breite Öffentlichkeit anspricht. Natürlich gehen die Meinungen der am Prozess beteiligten Personen oft auseinander, und es braucht ein kompetentes Führungsteam, um sicherzustellen, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden.
Können Sie Anekdoten aus Ihrer Arbeit erzählen, bei der es darum ging, neue Identitäten für Fluggesellschaften zu schaffen? Könnten Sie uns außerdem sagen, was die Kernaspekte im Designprozess sind?
Airline-Identitäten, insbesondere für nationale Fluggesellschaften, sind etwas, zu dem fast jeder eine Meinung hat, weil sie ein Land als Botschafter repräsentieren und auf der ganzen Welt sichtbar sind.
Sehr oft wird jede Veränderung vorerst sehr skeptisch wahrgenommen, denn es braucht Zeit, um sich an eine neue Identität zu gewöhnen (dies gilt auch für viele andere Branchen). Als wir zum Beispiel vor einigen Jahren ein neues Konzept für Lufthansa entwickelten, war diese Airline vor allem als technisch perfekte und effiziente Fluggesellschaft bekannt. Wir hatten die Aufgabe, den Eindruck einer freundlicheren und fürsorglicheren Fluggesellschaft zu unterstützen. Unsere Idee war unter anderem, eine Farbpalette zu definieren, die wärmer ist als die blau-silberne Lackierung, und wir schlugen deshalb ein gelb-weißes Farbschema vor, wobei das Blau nur für das Kranichsymbol beibehalten wurde. Das Top-Management hatten wir davon überzeugt, und so wurden zwei Flugzeuge als Prototyp in der neuen Farbgebung lackiert, und erste Destinationen anflogen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Lufthansa-Mitarbeiter die Farbe Gelb anders interpretierten; anstatt "freundlich" sahen sie in der Bemalung ein "Yellow-Belly", was auch als «feige» gilt. Die Piloten weigerten sich, Gelbbauchflugzeuge zu fliegen, und das gesamte Farbkonzept musste umgekehrt werden: Statt Gelb und Weiß landeten wir bei Blau und Weiß, mit dem Kranich in Gelb. Wir haben dann das Gelb überwiegend im Innenraum und anderen Anwendungen verwendet, so dass das ursprüngliche Konzept nicht völlig verloren ging. Es ist wichtig, alle Beteiligten und Stakeholder in einen solchen Designprozess einzubeziehen um sicherzustellen, dass alles verstanden und in Zwischenschritten vereinbart wird, und solche Überraschungen zu vermeiden.
Die Flugzeuggestaltung kann auch dazu beitragen, Illusionen zu erzeugen. Als wir an der Umbenennung einer Schweizer Fluggesellschaft-Tochtermit nur vier Flugzeugen arbeiteten, hatten wir die grossen Logos in verschiedenen Farben erstellt, um zu betonen, dass es mehrere Flugzeuge gab. Doch wir hatten jedem Flugzeug nicht nur eine Farbe zugewiesen, sondern auf jeder Seite des Flugzeugs ein andersfarbiges Logo, so dass es den Anschein hatte, dass die Flotte gesamthaft doppelt so groß erschien wie sie tatsächlich war.
Inwiefern hilft die Erstellung des neuen Logos Ihrer Meinung nach einer Marke, in diesem Fall Air India? Und was halten Sie von der neuesten Schriftart Air India Sans?
Das Logo ist das gebräuchlichste Erkennungsmerkmal einer Fluggesellschaft, es vermittelt den Namen und macht immer einen starken ersten Eindruck. Das alte Air India Logo sieht aus wie aus einer anderen Zeit, sehr schwer und industriell, und vor allem aus der Ferne schwer zu lesen (was bei Flugzeugen auf dem Rollfeld oft der Fall ist). Das neue Logo ist ausgereifter und hat seinen eigenen und unverwechselbaren Charakter.
Was die Schriftart Air India Sans betrifft, so habe ich sie noch nicht in anderen Anwendungen als dem Logo selbst gesehen, ich nehme an, dass es den selben Charakter hat. Wenn dem so ist, scheint es mir eine breite und schwere Schrift zu sein, die wohl einzigartig ist, jedoch mehr Raum beansprucht, damit mehr Prominenz aber eher weniger Eleganz ausdrückt.
Wie viele Fluggesellschaften auf der Welt haben ihre eigene Schriftart/Typografie registriert?
Die meisten Fluggesellschaften (und Unternehmen im Allgemeinen) wählen für ihre schriftliche Kommunikation eine Schriftfamilie, die bereits auf dem Markt erhältlich ist. Einige entscheiden sich dafür, eine vorhandene Schriftart an ihre individuellen Anwendungsanforderungen anzupassen. Nur wenige verwenden komplett neu generierte Schriften.
Ein Grund, warum internationale Unternehmen manchmal ihre eigene Schrift erstellen, ist oft die Verwendung einer Kombination aus lokalen Schriften (z. B. Devanagari) in Kombination mit lateinischer Schrift. In einem solchen Fall besteht das Ziel darin, eine oder beide Schriften so anzupassen, dass sie visuell kompatibel sind.
Für das Logo selbst wird die Schriftart meist bis zu einem gewissen Grad angepasst, um die beste Übereinstimmung für die spezifische Zeichenkombination im Namen zu schaffen.
Können Sie uns außerdem Details zu Ihren Projekten zum Rebranding und zur Erstellung einer Schriftart für Fluggesellschaften weltweit mitteilen? Welche Auswirkungen haben Sie bei solchen Projekten beobachtet? Und wie wurde es von den Kunden der Fluggesellschaft wahrgenommen?
Während in der globalen Luftfahrtindustrie die englisch Sprache klar vorherrscht, erwartet die lokale Bevölkerung die schriftliche Kommunikation in ihrer eigenen Sprache und Schrift. Manchmal hat eine Sprache Vorrang vor der anderen, entweder in Bezug auf Position, Farbe oder Größe. Aber beides sollte immer in visueller Harmonie und respektvoll für alle sein.
Welche Möglichkeiten eröffnen sich, wenn Marken eine maßgeschneiderte Schrift erstellen und sich nicht auf bestehende Schriften verlassen?
Eine individuelle Schriftart hilft, die Marke im Wettbewerbsumfeld klar zu unterscheiden und den Charakter der Marke oder eine spezifische Kultur auszudrücken.
In vielen Fällen erschwert es auch die Lesbarkeit, wenn es nicht professionell gestaltet ist, unter Berücksichtigung der visuellen Feinheiten und komplexen Anforderungen, z.B. auch die Berücksichtigung aller möglichen Buchstabenkombinationen oder der globalen Integration mit Hard- und Software verschiedener Generationen und Plattformen.
Ich habe bereits erwähnt, dass der kommerzielle Aspekt des Besitzes einer Schriftart im Vergleich zur Lizenzierung von Schriftarten auf dem Markt eine Überlegung sein kann. Auf der anderen Seite bietet dies auch die Möglichkeit, spezielle Buchstaben und Zeichen einzufügen.
Biography Edwin Schmidheiny
Edwin Schmidheiny is an award-winning designer behind some of the world’s most iconic airline brands including Thai Airways, Japan Airlines, Lufthansa, Swiss, Korean Air and Royal Air Maroc.
Having nurtured his graphic design craft from a young age in his native Switzerland, Schmidheiny has raised the bar for global aviation design over his four-plus decade career. Beyond aviation, too, he has transformed numerous iconic brands that shape their respective categories, including Nespresso, T-Mobile, BMW, UBS, BASF, and Swiss Post.
Edwin Schmidheiny is Chairman and Chief Creative Officer at Zurich-based global brand consultancy, Accent.
About accent
Zurich-based global brand consultancy accent was founded in 2012 by award-winning Swiss designer Edwin Schmidheiny to create brands that move the world forward. Led by CEO Aneesh Sharma, Accent works with ambitious global firms in Europe, the United States and India. www.accent.ch
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